Ich war letztens zu Besuch bei Freunden, die in einem Haus mit 16 Zimmern wohnen:
Flur
Wohnzimmer
Fernsehzimmer
3 Schlafzimmer
2 Badezimmer
3 Ankleidezimmer
Wintergarten
Küche
Hobbyraum
Partykeller
Loft
Dort wohnt nur ein Paar, die Kinder sind schon ausgezogen. Ich bin alleine gekommen. Wir haben dann erst einmal alle mit Maske auf Abstand im Flur gestanden, und ich habe gefragt, wie wir es mit den Corona-Maßnahmen halten.
Dann haben mir die beiden erklärt, welche Regeln es in ihrem Haushalt gibt:
Im Flur gelten die strengsten Regeln: Maske! Abstand! Stehen bleiben! Nichts anfassen!
Im Wohnzimmer darf man sich mit Maske immerhin setzen, mit verringertem Abstand von 1,5 statt 2 Metern. Hier darf alles angefasst werden, außer den Regalen und Schränken.
Im Fernsehzimmer sind die Regeln temperaturabhängig: Wenn die Temperatur näher an derjenigen im Wohnzimmer als an derjenigen im Flur liegt, gelten die Wohnzimmer-, ansonsten die Flur-Regeln.
In den Schlafzimmern dürfen sich jeweils maximal zwei Personen aufhalten, aber nie aus unterschiedlichen Haushalten. (Nach dem Anfassen bitte desinfizieren!)
Im Wintergarten darf man – bei geöffneter Tür zum Garten, wenn ein Abstand größer als zwei Meter eingehalten werden kann – die Maske unter die Nase ziehen, damit die anderen sehen können, wie die man die eigene über die anderen nackten Nasen der Nasenackten (oder heißt es Nasennackten?) rümpft. (Die Terrasse ist allerdings tabu, solange der Sonnenstand niedriger ist als die Inzidenz zwischen 10 und 11 Uhr morgens im Umkreis von 3,7 Kilometern.)
Die Ankleidezimmer dürfen nur betreten werden, wenn man vorher einen Timeslot gebucht hat: Das Konzept nennt sich „Klamotten & Collect“. Immer nur einzeln eintreten, weil sie alle kleiner sind als 10 Quadratmeter.
In der Küche dürfen – anders als im Wohnzimmer – die Schränke auch geöffnet werden, aber zwischen 18 Uhr und 8 Uhr morgens darf man nur gucken und nichts rausnehmen. Diese sogenannte Rausnahmebeschränkung hat aber nix mit Corona zu tun: Das nennt sich Intervallfasten.
Die Badezimmer nehmen gerade an einem Modellversuch teil: Sind Fenster und Tür gleichzeitig geöffnet, darf ohne Maske geduscht werden, sofern per Schnelltest sichergestellt wurde, dass der Intimbereich bereits verkeimt war. (Er – bzw. sie, die Intimbereichin – darf einmal pro Woche kostenlos getestet werden. Dazu hat das Nachbarpaar ein Testzentrum auf seiner Garageneinfahrt eingerichtet. Dabei wird jeweils gleichgeschlechtlich getestet.)
Diesen Test sollte man aber erst machen, wenn man in dem Zelt, das im Hobbyraum aufgebaut ist, trainiert hat, genau vier Tropfen zielsicher in eine kleine Mulde der Selbsttests zu pieseln. (Ergebnisauswertung: C = cool, T = total verkeimt – oder gerne auch mal anders herum …)
In den Partykeller – und da wollen im Moment ja alle hin – dürfen nur Erstimpflinge ab drei Wochen nach Impftermin, sofern sie den Schuss überlebt haben.
Alle anderen Impflinge (die, die nicht!) werden im Loft gestapelt.
Da in diesem offiziellen Verwese-Bereich bereits 14 Personen des Haushalts auf engstem Raum vor sich hin zerfallen, darf man nur mit positivem PCR-Test rein und erst raus, wenn man zehn Tage Quarantäne ohne Essen und Trinken überlebt und währenddessen die Finger von den Leichen gelassen hat.
Nachdem sie dir alle Regeln erklärt haben, beten Armin und Manuela – so heißt das Paar übrigens – gemeinsam ihr persönliches Glaubensbekenntnis:
Willkommen im Corona-Zeitalter!
Liebe deine Provinzstatthalter!
Vertrau auf deine Kontaktverwalter!
Mach dich locker, alter Abstandshalter!
Woraufhin man als Gast zu antworten hat:
Ich reite die Welle,
bis nichts mehr im Lot ist.
Ich reite die Welle,
solange mein Blut noch rot ist.
Ich reite die Welle,
bis auch mein letzter Freund tot ist.
Ich reite die Welle,
bis das ganze Land in Not ist.
Das war dann irgendwie drüber, fand ich, habe mich umgedreht und bin zurück in meinen Einpersonenhaushalt.
Das Paar besuche ich erst wieder, wenn es die Pandemie überlebt. So ganz sicher bin ich mir da nicht … :-)
Prost Corona!
Beitragsbild: Photo by Zac Gudakov on Unsplash