Dass wir bald alle Autos fahren, die nicht mehr wir fahren, sondern die uns fahren, weil wir nicht mehr fahren können, ist praktisch unvermeidlich. Es macht ja auch keinen Sinn, zuerst durch die dauernde Navi-Benutzung zu verlernen, wie man sich selbst orientiert, nur um dann sklavenartig den Anweisungen eines diktatorischen Avatars zu folgen. Da überlässt man die Befehlsausführung doch am besten gleich dem Gerät, einem Gerät, einer Maschine, der Maschine.
Und dann ist da noch die Sache mit der Ablenkung. Da sich ein nicht unerheblicher Teil der noch selbst autofahrenden Menschheit nicht kontrollieren kann, was die Nutzung kleiner handlicher Aufmerksamkeitsfeinde betrifft, und damit gelegentlich sich selbst, aber leider auch kleine und große Wildtiere, vor allem aber andere Menschen binnen weniger Sekunden zum Tode verurteilt und dann gleich mit dem eigenen Gefährt exekutiert, sollte das Autofahren vorzugsweise verboten werden. Also das wirklich autonome Fahren, das durch den Menschen. Erst das pseudoautonome Gefahrenwerden könnte unser aller Lieblingswaffe entschärfen.
Falls das denn technisch klappt. Dummerweise stecken die Gefahren in Gefahrenwerden ja schon drin. Aber die Flaws der Algorithmen sollen hier kein Thema sein. Nur die menschlichen.
Wir waren bei der Ablenkung, wurden aber abgelenkt. Auch da übrigens steckt die Gefahr ja schon im Wort: ab-gelenkt. Das kommt nie gut beim Autofahren. Ich sage immer: „Ab-gelenkt und – zack! – gehenkt!“
Dass man im Auto schnell vom rechten Weg abkommt, zeigen ja auch die vielen Klimakippverschlimmerungsgasschleudern. Wieder so ein anderes Thema, das sich nur in einem Punkt mit der Frage des pseudoautonomen Gefahrenwerdens überschneidet: Bei der stark sinkenden Leistung von Gehirnen, die man zuerst in einen menschlichen Schädel presst und dann noch – samt Tragekörper – in einen Faradayschen Käfig.
Okiedokie. Zurück auf die A1: Es ging um was noch mal? Ablenkung! Sie wussten das noch? Fein. Sie sitzen ja auch gerade nicht im Auto … hoffentlich …
Ablenkung also: Der chinesische Autohersteller Byton hat jetzt gerade ein neues Modell vorgestellt, den M-Byte, in dem sich ein digitales Dashboard (so heißt das heutzutage ja, will man sich mit „Armaturenbrett“ nicht als Teil einer Generation outen, die bald in Rente geht und kurz darauf in Koma, Grab oder Urne fällt, wenn endgültig die Wählscheibe hakt) … Moment … wo war ich? … ach so … ein digitales Dashboard über die gesamte Front des Innenraums erstreckt, über 126 cm. Ach was, sogar über ganze einhundertsechsundzwanzig Zentimeter. So breit ist das!
Willkommen in der Ablenkungsapokalypse. Während der Messepräsentation auf der diesjährigen IAA war auf dem Monstermonitor irgendein Influencer-Body zu sehen, der auf einer Felsspitze am Grand Canyon balancierte. Der Zusammenhang ist mir nicht ganz ersichtlich, aber ganz sicher würde ich da nicht mehr aus der Windschutzscheibe schauen. Sondern mit Absturzangst und Muffensausen reflexartig auf die Bremse latschen und mir TRAVEL JOHN, das Wegwerf-Urinal, zwischen die Beine klemmen.
Und, darauf wollte ich ja eigentlich hinaus: wäre abgelenkt. Mit fetten Videoscreens im Auto möchte ich meine verehrten Mitautofahrer, Mitautofahrerinnen, Mitgesternten und Mitgesterntinnen weder in fetten Boliden noch in mageren Kleinwagen unterwegs sehen (und mich auch nicht). Jedenfalls solange Autos beim Fahren noch auf die Aufmerksamkeitsleistungen menschlicher Lenker angewiesen sind.
So. Tour mit Umwegen, aber doch am Ziel. Falls Sie Ihren Beifahrerplatz in meiner kleinen Glossenkutsche nicht schon längst verlassen haben. Man wird ja so schnell abgelenkt heutzutage. In diesem Sinne: Halten Sie die Spur!
Vor allem, wenn Sie mir entgegenkommen!
Bilder: Byton